Einmal im Monat genauer: jeden ersten Samstag im Monat ist das Museum Wiesbaden eintrittsfrei. Eine gute Gelegenheit mal wieder dort vorbeizuschauen. Am Eingang kriege ich gleich zwei Eintrittskarten in die Hand gedrückt. Ich gebe eine zurück, und der Mitarbeiter des Museums meint augenzwinkernd: „ für wichtige Personen geben wir immer zwei Karten aus“! Soso! 😉
So freundlich empfangen entscheide ich mich, nicht den angedachten Weg für Besucher einzuschlagen – also nach links durch das Oktagon vorbei an der Spiegelinstallation „Jupiter Brunnen“ von Rebecca Horn – sondern einfach mal gleich nach rechts abzubiegen. Hier geht es vorbei an der wuchtigen Arbeit von Katharina Grosse: „Sieben Stunden, Acht Stimmen, Drei Bäume“ (2015) von der ich mich frage, wie das Werk wohl gereinigt und entstaubt wird, ohne die langen farbigen Stoffbahnen durcheinander zu wirbeln und somit das Werk quasi aus seinem „inneren Gefüge“ zu staubsaugen. Das ist wirklich eine Aufgabe für Spezialist*innen um die ich sie wahrlich nicht beneide.
Taumelland hat der Arbeit von Katharina Grosse schon 2017 einen Beitrag gewidmet: Gravity
Im nächsten Raum befinden sich die teils begehbare Papierstaffelung von Angela Glajcar: „Terforation 2017-002“. Eine speziell für diesen Raum entwickelte Installation (in situ), die ein hervorragendes Fotomotiv abgibt. Je nach eingenommener Perspektive erscheinen die einzeln hintereinander gestaffelten Papierbahnen mal als massiver und raumgreifender Körper und mal als filigrane Papierarbeit, bei der jedes der bearbeiteten Papierblätter zur Geltung kommt. Am für mich eindrucksvollsten, war es das Werk zu betreten. In seinem „Inneren“ wirkt es wie das 3D Bild einer Canyon– oder Höhlenlandschaft und bekommt eine Tiefe, die man von außen gar nicht vermutet.
Nun biege ich noch einmal nach links ab und treffe auf zwei Installationen von Rebecca Horn: „Circle of a broken Landscape” und “Im Kreis des Adlers”. Dass es sich hierbei um zwei Installationen handelt, erschließt sich mir aus der bloßen Betrachtung heraus nicht. Die beiden Arbeiten und der Raum korrespondieren so gut miteinander, dass sie als Teil eines Werkes erscheinen. Erst als ich die beiden Schildchen sehe geht mir auf, dass es sich um zwei unterschiedliche Werke handelt. Ich hatte die beiden Installationen schon mal in einem anderen Raum im Museum Wiesbaden gesehen, aber dort hinterließen sie bei mir kaum einen Eindruck. Ich denke was mich nun zum Innehalten und ins Grübeln brachte war das Sonnenlicht, dass mit aller Macht durch die heruntergezogenen Vorhänge drängen wollte und den Raum in ein mildes Zwielicht tauchte.
Ich muss an einen lange zurückliegenden Besuch des Kölner Doms denken: Es muss im Dezember oder Januar auf jeden Fall während der kalten Jahreszeit gewesen sein – bei dem das Sonnenlicht direkt durch das sogenannte „Richter-Fenster“ schien. Gerhard Richter gestaltete 2007 das Südquerfenster des Doms neu. Hierbei wählte er aus einer Farbpalette von 800 Farben – alles Farben, die auch in den älteren Kirchenfenstern des Doms vorkamen – 72 aus. Diese brachte er auf gläserne Farbquadrate auf, die nun unter Zuhilfenahme eines Zufallsgenerator und mit gestalterischem Kalkül zu dem großen Kirchenfenster kombiniert wurden. Die angedachte Wirkung des Fenster sollte betont nüchtern – und nicht etwa „weihnachtlich“ oder so ausfallen. Das Fenster wurde so auch als zu „mechanisch“ und zu wenig „religiös“ kritisiert. Das konnte ich an diesem Morgen nun so gar nicht nachvollziehen. Das durch das Fenster einfallende direkte Sonnenlicht übersäte das Interior, die Besucher und den Boden des Doms mit einer Vielzahl von bunten bonbonfarbenen Farbtupfern. Und wenn gotische Kathedralen ursprünglich mal den Glanz des „himmlischen Jerusalems“ vorwegnehmen sollten – dann war das hier die perfekte Umsetzung davon – geradezu ein Farbflash an christlicher Spiritualität. Aber nun zurück in die Gegenwart!
In beiden Installationen von Rebecca Horn sind Mechaniken am Werk. So können sich die Federn von „Im Kreis des Adlers“ öffnen und dann wieder zusammenzuziehen. Mit „Spread your wings and fly away“ hat das aber nicht viel zu tun. Es wirkt auf mich eher wie eine kaputte Mechanik deren Sinn nicht mehr erkennbar ist, oder sich zumindest mir nicht mehr erschließt. So wirken auch die Mechaniken der zweiten Installation „Circle of a broken Landscape“. Der kleine fest auf einen Metallstab fixierte Schmetterling schlägt ab und zu mit seinen perlmuttartig schimmernden Flügeln um dann wieder zu verharren. Schmetterlinge sind ja ein altes Symbol für die „unsterbliche Seele“ und man findet das Symbol des Schmetterlings häufig auf Friedhöfen abgebildet. Aber in der Installation überwiegt für mich doch der Eindruck eines vergeblichen Bemühens und von „Erlösung“ oder einer anderen transzendenten Bedeutung des Flugs eines Schmetterlings bleibt – außer der Erinnerung – nichts mehr übrig. Auch ist nicht vorstellbar, dass der Flügelschlag dieses Schmetterlings irgendwo auf der Welt irgendetwas bewirken könnte – außer wie schon gesagt beim Betrachter*in natürlich. Es erscheint mir wie ein unausgesprochenes: „rien ne va plus“. Halb gegenüber von dem Schmetterling befindet sich ein ebenfalls auf einem Metallstab montiertes Fernglas. Durch die Binokulare kann man den Schmetterling und seine Flugbewegungen aus der Distanz beobachten.
Detail: Der Schmetterling und das Fernglas, Museum Wiesbaden Juli 2022Rebecca Horn“Circle of a broken landscape“ , Museum wiesbaden,Juli 2022
In der Mitte des Sandkreises von „Circle of a broken Landscape“ befindet sich ein langer Metallstab. „Circle“ (Kreis)könnte sich sowohl auf den Sandkreis der die eigentliche Installation begrenzt wie auch auf den Zirkel als Werkzeug der Geometrie beziehen – ich weiß es nicht. Für den Zirkel spricht allerdings, dass sich am Rand der Installation über einem Zylinder ein weiterer Metallstab befindet – mit dem der Kreis dann konstruiert worden wäre. Die Arbeit lässt mich darüber rätseln -zumal auch der mechanisch angetriebene Metallstab in der Mitte auf eine unorthodoxen Weise rotiert. Während er seine Kreisbewegungen ausführt stellt sich der Metallstab langsam auf bis er schließlich in einem rechten Winkel (parallel zur Decke) verharrt. Dann nimmt er seine Rotationsbewegung wieder auf und kehrt in seine Ausgangsposition zurück.
Detail: Sand, Metallstäbe und Stein, Museum Wiesbaden, Juli 2022
Er könnte in eine bestimmte Richtung oder den Weg weisen, aber leider zeigt er bei jedem Zyklus in eine andere Richtung! Die Bewegungen die er ausführt passen so eher zu einer kaputten Uhr oder einem „betrunkenen“ Kompass der schon lange aufgehört hat nach Norden zu weisen. Genaue Uhren (Chronometer) ermöglichten in der Seefahrt zusammen mit einem Sextanten erstmals im späten 18. Jahrhundert die Bestimmung der Längengrade und damit eine genaue Bestimmung der Position des eigenen Schiffes in den Weiten der Meere. Während ich so drüber nachdenke, wie das genau mit den Uhren und dem Längengrad in der Praxis funktioniert hatte, ertönt unvermittelt ein eindringliches „Pling“. Ich schaue auf und entdecke eine dritte mechanische Installation, die mir vorher gar nicht aufgefallen war. Sie befindet sich hoch oben an der Wand mit der Eingangstür. Es sind zwei „Zen Zimbeln“ (Beckenteller) die von einem kleinen in einem Kasten verborgener Motor ab und zu aneinander geschlagen werden und damit einen klaren hohen Ton erzeugen. Auf dem Kasten liegt noch eine große Meermuschel. Eine Aufforderung wach und aufmerksam zu sein? und den Blick nach innen zu richten? Ich habe nicht herausgefunden wie diese Installation heißt?! Aber sie passt gut zu den an einen Zengarten erinnernden Sandkreis mit seinen Steinen und Zylindern.
Zen Zimbeln, Motor und Muschel, Museum Wiesbaden, Juli 2022
Wenn ich mir jetzt vorstelle das Museum hat geschlossen oder es ist Nacht – also jedenfalls gibt es keinerlei Besucher*innen mehr im Museum und die ganze Zeit über öffnet und schließt sich der Kreis aus Adlerfedern, der Schmetterling schlägt mit den Flügeln, die Zimbeln schlagen aneinander und der unten spitz zulaufende Metallstab tanzt dazu begleitet von dem Geräuschen der eingebauten Elektro-Motoren einen Reigen.… dann werde ich dabei schon ein wenig melancholisch. „Broken“ passt schon zum Titel der Installation- ob man das wohl reparieren könnte? Vielleicht in dem man die Objekte der Installation neu gruppiert? So wie in dem Genre der „Computer Rätselspiele“ bei denen man komplexen Mechaniken auf die Schliche kommen muss um z. Bsp. das Geheimnis einer untergegangen Zivilisation zu lüften oder etwas profaner eine Tür aufzukriegen (hinter der sich allerdings dann oft nur eine weiter Tür verbirgt)? Am Ende des Spiels aber – nach einigen Mühen – ergibt sich dann quasi als Belohnung ein Sinn hinter dem Ganzen. Und genau dieses Erfolgserlebnis verweigern die Installationen von Rebecca Horn. Was wenn es überhaupt keinen Sinn (mehr) gibt? Was wenn die Welt sich als nicht „reparierbar“ erweist? Oder gar eine perfide Täuschung ist? Solche Fragen gingen mir im Kopf herum.
„Circle of a broken landscape“: Zylinder, Museum W iesbaden, Juli 2022
Mir kommen ein paar Strophen aus „Time“ von Pink Floyd in den Sinn:
Every year is getting shorter, never seem to find the time
Plans that either come to naught or half a page of scribbled lines
Hanging on in quiet desperation is the English way
The time is gone, the song is over, thought I’d something more to say
Time, Pink Floyd, The Dark Side of the Moon, 1973
Also vielleicht sind ja die Antworten auf die von mir gestellten „Fragen“ gar nicht so wichtig, sondern es kommt vielmehr darauf an Haltung zu zeigen und der Welt und auch der Kunst mit einer gesunden Prise an Stoizismus zu begegnen? Dafür gibt es im englischen eine an das Pink Floyd Zitat angelehnte Redewendung: „to have a stiff upper lip!“ was so viel meint wie im Angesicht des größten (persönlichen) Unglücks mutig und gelassen zu bleiben und auf keinen Fall die Selbstkontrolle zu verlieren. So wie die Musiker die auf der leckgeschlagenen Titanic unbeeindruckt vom Untergang des Schiffes für die Passagiere noch ein letztes Konzert zu geben. Monty Python haben sich über diesen vermeintlich typisch britischen Charakterzug in vielen Sketchen lustig gemacht. Ich denke da an: „Don‘t mention the war!“ – wobei das mit der Gelassenheit in diesem Sketch ja nicht so wirklich funktioniert.
nothing’s gonna change my world
Across the nuniverse, Beatles, Let it Be, 1970
Detail: Schmetterling mit Motor, Museum Wiesbaden, Juli 2022
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Einmal im Monat genauer: jeden ersten Samstag im Monat ist das Museum Wiesbaden eintrittsfrei. Eine gute Gelegenheit mal wieder dort vorbeizuschauen. Am Eingang kriege ich gleich zwei Eintrittskarten in die Hand gedrückt. Ich gebe eine zurück, und der Mitarbeiter des Museums meint augenzwinkernd: „ für wichtige Personen geben wir immer zwei Karten aus“! Soso! 😉
So freundlich empfangen entscheide ich mich, nicht den angedachten Weg für Besucher einzuschlagen – also nach links durch das Oktagon vorbei an der Spiegelinstallation „Jupiter Brunnen“ von Rebecca Horn – sondern einfach mal gleich nach rechts abzubiegen. Hier geht es vorbei an der wuchtigen Arbeit von Katharina Grosse: „Sieben Stunden, Acht Stimmen, Drei Bäume“ (2015) von der ich mich frage, wie das Werk wohl gereinigt und entstaubt wird, ohne die langen farbigen Stoffbahnen durcheinander zu wirbeln und somit das Werk quasi aus seinem „inneren Gefüge“ zu staubsaugen. Das ist wirklich eine Aufgabe für Spezialist*innen um die ich sie wahrlich nicht beneide.
Taumelland hat der Arbeit von Katharina Grosse schon 2017 einen Beitrag gewidmet: Gravity
Im nächsten Raum befinden sich die teils begehbare Papierstaffelung von Angela Glajcar: „Terforation 2017-002“. Eine speziell für diesen Raum entwickelte Installation (in situ), die ein hervorragendes Fotomotiv abgibt. Je nach eingenommener Perspektive erscheinen die einzeln hintereinander gestaffelten Papierbahnen mal als massiver und raumgreifender Körper und mal als filigrane Papierarbeit, bei der jedes der bearbeiteten Papierblätter zur Geltung kommt. Am für mich eindrucksvollsten, war es das Werk zu betreten. In seinem „Inneren“ wirkt es wie das 3D Bild einer Canyon– oder Höhlenlandschaft und bekommt eine Tiefe, die man von außen gar nicht vermutet.
Nun biege ich noch einmal nach links ab und treffe auf zwei Installationen von Rebecca Horn: „Circle of a broken Landscape” und “Im Kreis des Adlers”. Dass es sich hierbei um zwei Installationen handelt, erschließt sich mir aus der bloßen Betrachtung heraus nicht. Die beiden Arbeiten und der Raum korrespondieren so gut miteinander, dass sie als Teil eines Werkes erscheinen. Erst als ich die beiden Schildchen sehe geht mir auf, dass es sich um zwei unterschiedliche Werke handelt. Ich hatte die beiden Installationen schon mal in einem anderen Raum im Museum Wiesbaden gesehen, aber dort hinterließen sie bei mir kaum einen Eindruck. Ich denke was mich nun zum Innehalten und ins Grübeln brachte war das Sonnenlicht, dass mit aller Macht durch die heruntergezogenen Vorhänge drängen wollte und den Raum in ein mildes Zwielicht tauchte.
Ich muss an einen lange zurückliegenden Besuch des Kölner Doms denken:
Es muss im Dezember oder Januar auf jeden Fall während der kalten Jahreszeit gewesen sein – bei dem das Sonnenlicht direkt durch das sogenannte „Richter-Fenster“ schien. Gerhard Richter gestaltete 2007 das Südquerfenster des Doms neu. Hierbei wählte er aus einer Farbpalette von 800 Farben – alles Farben, die auch in den älteren Kirchenfenstern des Doms vorkamen – 72 aus. Diese brachte er auf gläserne Farbquadrate auf, die nun unter Zuhilfenahme eines Zufallsgenerator und mit gestalterischem Kalkül zu dem großen Kirchenfenster kombiniert wurden. Die angedachte Wirkung des Fenster sollte betont nüchtern – und nicht etwa „weihnachtlich“ oder so ausfallen. Das Fenster wurde so auch als zu „mechanisch“ und zu wenig „religiös“ kritisiert. Das konnte ich an diesem Morgen nun so gar nicht nachvollziehen. Das durch das Fenster einfallende direkte Sonnenlicht übersäte das Interior, die Besucher und den Boden des Doms mit einer Vielzahl von bunten bonbonfarbenen Farbtupfern. Und wenn gotische Kathedralen ursprünglich mal den Glanz des „himmlischen Jerusalems“ vorwegnehmen sollten – dann war das hier die perfekte Umsetzung davon – geradezu ein Farbflash an christlicher Spiritualität. Aber nun zurück in die Gegenwart!
In beiden Installationen von Rebecca Horn sind Mechaniken am Werk. So können sich die Federn von „Im Kreis des Adlers“ öffnen und dann wieder zusammenzuziehen. Mit „Spread your wings and fly away“ hat das aber nicht viel zu tun. Es wirkt auf mich eher wie eine kaputte Mechanik deren Sinn nicht mehr erkennbar ist, oder sich zumindest mir nicht mehr erschließt. So wirken auch die Mechaniken der zweiten Installation „Circle of a broken Landscape“. Der kleine fest auf einen Metallstab fixierte Schmetterling schlägt ab und zu mit seinen perlmuttartig schimmernden Flügeln um dann wieder zu verharren. Schmetterlinge sind ja ein altes Symbol für die „unsterbliche Seele“ und man findet das Symbol des Schmetterlings häufig auf Friedhöfen abgebildet. Aber in der Installation überwiegt für mich doch der Eindruck eines vergeblichen Bemühens und von „Erlösung“ oder einer anderen transzendenten Bedeutung des Flugs eines Schmetterlings bleibt – außer der Erinnerung – nichts mehr übrig. Auch ist nicht vorstellbar, dass der Flügelschlag dieses Schmetterlings irgendwo auf der Welt irgendetwas bewirken könnte – außer wie schon gesagt beim Betrachter*in natürlich. Es erscheint mir wie ein unausgesprochenes: „rien ne va plus“. Halb gegenüber von dem Schmetterling befindet sich ein ebenfalls auf einem Metallstab montiertes Fernglas. Durch die Binokulare kann man den Schmetterling und seine Flugbewegungen aus der Distanz beobachten.
In der Mitte des Sandkreises von „Circle of a broken Landscape“ befindet sich ein langer Metallstab. „Circle“ (Kreis)könnte sich sowohl auf den Sandkreis der die eigentliche Installation begrenzt wie auch auf den Zirkel als Werkzeug der Geometrie beziehen – ich weiß es nicht. Für den Zirkel spricht allerdings, dass sich am Rand der Installation über einem Zylinder ein weiterer Metallstab befindet – mit dem der Kreis dann konstruiert worden wäre. Die Arbeit lässt mich darüber rätseln -zumal auch der mechanisch angetriebene Metallstab in der Mitte auf eine unorthodoxen Weise rotiert. Während er seine Kreisbewegungen ausführt stellt sich der Metallstab langsam auf bis er schließlich in einem rechten Winkel (parallel zur Decke) verharrt. Dann nimmt er seine Rotationsbewegung wieder auf und kehrt in seine Ausgangsposition zurück.
Er könnte in eine bestimmte Richtung oder den Weg weisen, aber leider zeigt er bei jedem Zyklus in eine andere Richtung! Die Bewegungen die er ausführt passen so eher zu einer kaputten Uhr oder einem „betrunkenen“ Kompass der schon lange aufgehört hat nach Norden zu weisen. Genaue Uhren (Chronometer) ermöglichten in der Seefahrt zusammen mit einem Sextanten erstmals im späten 18. Jahrhundert die Bestimmung der Längengrade und damit eine genaue Bestimmung der Position des eigenen Schiffes in den Weiten der Meere. Während ich so drüber nachdenke, wie das genau mit den Uhren und dem Längengrad in der Praxis funktioniert hatte, ertönt unvermittelt ein eindringliches „Pling“. Ich schaue auf und entdecke eine dritte mechanische Installation, die mir vorher gar nicht aufgefallen war. Sie befindet sich hoch oben an der Wand mit der Eingangstür. Es sind zwei „Zen Zimbeln“ (Beckenteller) die von einem kleinen in einem Kasten verborgener Motor ab und zu aneinander geschlagen werden und damit einen klaren hohen Ton erzeugen. Auf dem Kasten liegt noch eine große Meermuschel. Eine Aufforderung wach und aufmerksam zu sein? und den Blick nach innen zu richten? Ich habe nicht herausgefunden wie diese Installation heißt?! Aber sie passt gut zu den an einen Zengarten erinnernden Sandkreis mit seinen Steinen und Zylindern.
Wenn ich mir jetzt vorstelle das Museum hat geschlossen oder es ist Nacht – also jedenfalls gibt es keinerlei Besucher*innen mehr im Museum und die ganze Zeit über öffnet und schließt sich der Kreis aus Adlerfedern, der Schmetterling schlägt mit den Flügeln, die Zimbeln schlagen aneinander und der unten spitz zulaufende Metallstab tanzt dazu begleitet von dem Geräuschen der eingebauten Elektro-Motoren einen Reigen.… dann werde ich dabei schon ein wenig melancholisch. „Broken“ passt schon zum Titel der Installation- ob man das wohl reparieren könnte? Vielleicht in dem man die Objekte der Installation neu gruppiert? So wie in dem Genre der „Computer Rätselspiele“ bei denen man komplexen Mechaniken auf die Schliche kommen muss um z. Bsp. das Geheimnis einer untergegangen Zivilisation zu lüften oder etwas profaner eine Tür aufzukriegen (hinter der sich allerdings dann oft nur eine weiter Tür verbirgt)? Am Ende des Spiels aber – nach einigen Mühen – ergibt sich dann quasi als Belohnung ein Sinn hinter dem Ganzen. Und genau dieses Erfolgserlebnis verweigern die Installationen von Rebecca Horn. Was wenn es überhaupt keinen Sinn (mehr) gibt? Was wenn die Welt sich als nicht „reparierbar“ erweist? Oder gar eine perfide Täuschung ist? Solche Fragen gingen mir im Kopf herum.
iesbaden, Juli 2022
Mir kommen ein paar Strophen aus „Time“ von Pink Floyd in den Sinn:
Also vielleicht sind ja die Antworten auf die von mir gestellten „Fragen“ gar nicht so wichtig, sondern es kommt vielmehr darauf an Haltung zu zeigen und der Welt und auch der Kunst mit einer gesunden Prise an Stoizismus zu begegnen? Dafür gibt es im englischen eine an das Pink Floyd Zitat angelehnte Redewendung: „to have a stiff upper lip!“ was so viel meint wie im Angesicht des größten (persönlichen) Unglücks mutig und gelassen zu bleiben und auf keinen Fall die Selbstkontrolle zu verlieren. So wie die Musiker die auf der leckgeschlagenen Titanic unbeeindruckt vom Untergang des Schiffes für die Passagiere noch ein letztes Konzert zu geben.
Monty Python haben sich über diesen vermeintlich typisch britischen Charakterzug in vielen Sketchen lustig gemacht. Ich denke da an: „Don‘t mention the war!“ – wobei das mit der Gelassenheit in diesem Sketch ja nicht so wirklich funktioniert.
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