about birgit

birgit glindmeier

Bild: bolee

Der Wald – Hort meiner Kindheit
Raum für Fantasiebildung – selbst ein Fantasiegebilde
Einst erfüllt von fabelhaften Wesen, Märchen und Magie – immer noch magisch, jedoch gebrochen

– da längst zur Demarkationslinie geworden, künstliche Grenzziehung, die Zeit des intellektuellen Niemandslandes ist vorbei.
Der Wald wird okupiert, wird zur Projektionsfläche von Dichtern und Denkern, Künstlern und Wanderern.

„Über allen Gipfel…“
wir wissen es längst: „…ist Ruh“
an oder angeblich an die Holzwand der Jagdaufseherhütte geschrieben.

Wald nicht mehr ein Gebilde des Unbekannten, sondern ein Ort der Kontemplation.
Waldeinsamkeit als äußerer Raum bietet eine Bühne für die innere Auseinandersetzung.

Wenn der Wald, eine Metapher im Spiel des künstlerischen Ringens um sich selbst sein kann in allen Spiel- und Tonarten von liebevoll, versöhnlich bis hin zu verzweifelt und bedrohlich. Wenn Wald das alles sein kann, was ist dann der Nichtwald? Ein dichotomisches Gegenüber, ein Teil eines Gegensatzpaares oder eine Leerstelle?

Der Wald, Katalysator dieser Prozesse der Kämpfe des Individuums mit und um sich schweigt unverändert dazu. Relikte und Trend zur Belebung des alten Topos der Romantik findet man vielerorts:

„Waldesruh“

unzählige Hotels tragen diesen Namen des kollektiven Gedächtnisses, einer Sehnsucht nach – ja nach was eigentlich? Nach Einsamkeit, nach einer ruhigen Heimat im Natürlichen, als eine Abkehr von der Bürde des kultürlichen Seins? Eine Sehnsucht nach Sinnhaftigkeit oder ein Abgleiten in Todessehnsucht, nicht einer Pause vom Sein, sondern der endgültige ewige Ruheort des Individuums vor den Anforderungen des modernen Lebens, vor der Komplexität der Welt.

Friedwälder – ein moderner Trend – Einswerden mit dem Wald im Sterben und darüber hinaus. Waldeinsamkeit als Mittel der Individualitätsfindung, gleichzeitig Abkehr von ihr.

Der Wald ein Freiluftmuseum, indem wir uns der eigenen Individualität und den Anforderungen an diese stellen können, aber auch den Zumutungen. Ein Museum, sakral aufgeladen wie andere museale Gebilde. Ein aufgeladener Ort, problematisch geworden, aber auch hoffnungsvoll, eine Möglichkeit zur inneren Reflexion, Kontemplation in der Schnelllebigkeit, ein Vergnügungsort, ein Ort der Bereicherung.

Ich bin gern im Wald, weil er die Kulisse für künstlerische Auseinandersetzung biete und mich – wie viele Generationen vor mir – mit seiner therapeutisch anmutenden Schweigsamkeit umhüllt.
Er antwortet nicht auf Fragen, die ich stelle, das ist der Trost, den er bieten kann.

in der ferne
an einem zweiten verheißungsvollen himmel
ein aufblitzen der bilder
darauf das gewaltige donnern der sprache
wir wollen nicht untergehen im alltäglichen
das blitzen und donnern zu sehen
die erfahrung im regen zu stehen
trägt im bedrohlichen der eigenen individualität
auch die befreiung von einsamkeit

Birgit Glindmeier, Juni 2016