Ich bin der festen Überzeugung, dass Landschaft uns nicht nur umgibt, sondern auch beeinflusst. Es gibt nicht nur ein „wie wir leben“ sondern immer auch ein dazugehöriges „wo und wann wir leben“. Daraus erklärt sich für mich die Romantisierung alter Fabrikarchitektur und Arbeiterkultur, wie sie zum Beispiel in den Liedern der Pogues oder bei Herbert Grönemeyer zum Ausdruck kommt. Früher der Motor und das Herz der Industrialisierung (Montanindustrie, Werften) – heute romantisierte Geschichte und Objekte von lokaler Identitätsbildung.
( ... )
Du bist keine Schönheit
Vor Arbeit ganz grau
Du liebst dich ohne Schminke
Bist 'ne ehrliche Haut
Leider total verbaut
Aber grade das macht dich aus
( ... )
Bochum, Herbert Grönemeyer, 4630 Bochum 1984
( ... )
I heard a siren from the docks
Saw a train set the night on fire
I smelled the spring on the smoky wind
Dirty old town
Dirty old town
( ... )
Dirty OldTtown, the Pogues, Rum, Sodomy & the Lash 1985
Rhein-Main
Beim Rhein-Main Gebiet liegen die Dinge etwas anders. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der sich mit dieser Herkunftsbezeichnung identifizieren würde. Niemand sagt: Ich komme aus dem „Rhein-Main Gebiet – und jetzt du“! Auch ist es bisher noch keinem Sportverein gelungen eine nennenswerte Fanbase aufzubauen und auf Dauer erfolgreich zu sein der den Begriff „Rhein-Main“ im Namen trug (soweit ich das überblicke). Auf den „Mental Maps“ seiner Bewohner ist das Rhein-Main Gebiet nicht verzeichnet.
Führen wir es uns mal vor Augen:
Niemand weiß genau, wie groß das Rhein-Main-Gebiet flächenmäßig ist oder wie viele Menschen hier leben, seine Grenzen mäandern je nach gegebener strukturierender Definition. Es ist durchzogen von Autobahnen, die für ein stetig wachsendes Verkehrsaufkommen immer zu klein dimensioniert scheinen und alle paar Jahre verbreitert werden müssen. Das Frankfurter Autobahnkreuz ist mit einem Verkehrsaufkommen von täglich 335.000 Fahrzeugen einer der meistbefahrenen Straßenknotenpunkte Europas (Wikipedia). Mitten Im Rhein-Main Gebiet befindet sich der Frankfurter Flughafen. Er ist der Flughafen mit dem größten Frachtaufkommen aller europäischen Flughäfen. Unaufhaltsam frisst er sich in die Landschaft und bringt dabei immer neue Startbahnen, Terminals, Logistikzentren etc., hervor.
Im Zentrum liegt der Finanzplatz Frankfurt, mit dem Sitz der Europäischen Zentralbank, an dem 66.000 Tausend Menschen arbeiten. Hier fließen die internationalen, tsunamigleichen Geldströme die sich in der Frankfurter Hochhausarchitektur materialisiert haben. Frankfurt gehört zu den Top 10 der wichtigsten Finanzplätze der Welt (GFCI Ranking) und das als einziger Finanzplatz in der gesamten Europäischen Union (seit dem Brexit).
Über das Stadtgebiet verteilt fließt der Datenstrom des in Frankfurt beheimateten „Deutsche Commercial Internet Exchange (DE-CIX)“, der gemessen am Datendurchsatz zu einem der größten der Welt zählt (Wikipedia). Rechenzentren bedecken im Rhein Main Gebiet mittlerweile immer größere Flächen und haben den Frankfurter Flughafen schon 2017 als größten Energieverbraucher Frankfurts überholt. Mittlerweile schätzt man, dass ein Fünftel des Frankfurter Energieverbrauchs auf Rechenzentren entfällt (2020) – mit steigender Tendenz. Das Rhein -Main Gebiet hat sich – auf Grund der Nähe zum Internetknoten – zum bedeutendsten Standort für unternehmensunabhängige Rechenzentren in Deutschland entwickelt.
Nur so nebenbei: Taumelland glaubte noch nie an die Virtualität des Internets! Wie zu Sauron der Ring, so gehört das Internet zu den mit Stacheldraht bewehrten Rechenzentren, der allgegenwärtigen Überwachung, den armdicken Unterseekabeln und den Satelliten in der Erdumlaufbahn. Einem Reich in dem Informationen mit Lichtgeschwindigkeit transportiert werden und in dem eine Nanosekunde schon einer Ewigkeit gleich kommt.
Dagegen nimmt sich der Frankfurter Hauptbahnhof, laut Deutscher Bahn der wichtigste Eisenbahnknotenpunkt Deutschlands, geradezu archaisch aus. Es kann ein beruhigendes Gefühl auslösen wenn Verspätungen noch in Minuten und Stunden angegeben werden;-) All das macht das Rhein-Main Gebiet zu einem Epizentrum der Globalisierung. „Panta rhei!“
Am Fluß
Der Main allerdings, eine aufgestaute, träge dahinfließende Bundeswasserstraße, bildet geradezu den „good old times“ Gegenpol zu dem ansonsten fluiden gewordenen Ballungszentrum, das er durchquert. Alles scheint im Rhein-Main Gebiet im Fluss zu sein – nur eben der Fluss selbst nicht. Dem werden wir in einer losen Folge von Beiträgen nachgehen. Wir begeben uns auf eine Erkundungstour entlang des Flusses und unternehmen, wann immer es sinnvoll scheint, Abstecher in das nähere Umland.
Abschließen möchte ich diesen Beitrag mit einem Zitat aus einem Gospel Song, das mir aus dem Film „O Brother, Where Art Thou? (2000)von den Coen Brüdern in Erinnerung geblieben ist:
( ... )
As I went down in the river to pray
Studying about that good ol' way
And who shall wear the starry crown
Good Lord, show me the way
O sinners, let's go down
Let's go down, come on down
O sinners, let's go down
Down in the river to pray
As I went down in the river to pray
Studying about that good ol' way
And who shall wear the robe and crown
Good Lord, show me the way
Traditional
Damit sei daran erinnert, dass Flüssen eine vielfältige religiöse Bedeutung zu kommt. Das Eintauchen in mythologische Fluten stiftet seit jeher eine Verbindung zu transzendentalen Mächten. So sind Sie Orte des Vergessens, der Vergebung, der Theophanie, der Reinigung und natürlich die Metapher für „den Zeiten- Lebenslauf“ überhaupt. Mal sehen ob wir davon auch etwas auf unsere Reise entlang des Mains finden werden.
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Prolog
Ich bin der festen Überzeugung, dass Landschaft uns nicht nur umgibt, sondern auch beeinflusst. Es gibt nicht nur ein „wie wir leben“ sondern immer auch ein dazugehöriges „wo und wann wir leben“.
Daraus erklärt sich für mich die Romantisierung alter Fabrikarchitektur und Arbeiterkultur, wie sie zum Beispiel in den Liedern der Pogues oder bei Herbert Grönemeyer zum Ausdruck kommt.
Früher der Motor und das Herz der Industrialisierung (Montanindustrie, Werften) – heute romantisierte Geschichte und Objekte von lokaler Identitätsbildung.
Rhein-Main
Beim Rhein-Main Gebiet liegen die Dinge etwas anders. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der sich mit dieser Herkunftsbezeichnung identifizieren würde. Niemand sagt: Ich komme aus dem „Rhein-Main Gebiet – und jetzt du“! Auch ist es bisher noch keinem Sportverein gelungen eine nennenswerte Fanbase aufzubauen und auf Dauer erfolgreich zu sein der den Begriff „Rhein-Main“ im Namen trug (soweit ich das überblicke). Auf den „Mental Maps“ seiner Bewohner ist das Rhein-Main Gebiet nicht verzeichnet.
Führen wir es uns mal vor Augen:
Niemand weiß genau, wie groß das Rhein-Main-Gebiet flächenmäßig ist oder wie viele Menschen hier leben, seine Grenzen mäandern je nach gegebener strukturierender Definition.
Es ist durchzogen von Autobahnen, die für ein stetig wachsendes Verkehrsaufkommen immer zu klein dimensioniert scheinen und alle paar Jahre verbreitert werden müssen.
Das Frankfurter Autobahnkreuz ist mit einem Verkehrsaufkommen von täglich 335.000 Fahrzeugen einer der meistbefahrenen Straßenknotenpunkte Europas (Wikipedia).
Mitten Im Rhein-Main Gebiet befindet sich der Frankfurter Flughafen. Er ist der Flughafen mit dem größten Frachtaufkommen aller europäischen Flughäfen. Unaufhaltsam frisst er sich in die Landschaft und bringt dabei immer neue Startbahnen, Terminals, Logistikzentren etc., hervor.
Im Zentrum liegt der Finanzplatz Frankfurt, mit dem Sitz der Europäischen Zentralbank, an dem 66.000 Tausend Menschen arbeiten. Hier fließen die internationalen, tsunamigleichen Geldströme die sich in der Frankfurter Hochhausarchitektur materialisiert haben. Frankfurt gehört zu den Top 10 der wichtigsten Finanzplätze der Welt (GFCI Ranking) und das als einziger Finanzplatz in der gesamten Europäischen Union (seit dem Brexit).
Über das Stadtgebiet verteilt fließt der Datenstrom des in Frankfurt beheimateten „Deutsche Commercial Internet Exchange (DE-CIX)“, der gemessen am Datendurchsatz zu einem der größten der Welt zählt (Wikipedia). Rechenzentren bedecken im Rhein Main Gebiet mittlerweile immer größere Flächen und haben den Frankfurter Flughafen schon 2017 als größten Energieverbraucher Frankfurts überholt. Mittlerweile schätzt man, dass ein Fünftel des Frankfurter Energieverbrauchs auf Rechenzentren entfällt (2020) – mit steigender Tendenz. Das Rhein -Main Gebiet hat sich – auf Grund der Nähe zum Internetknoten – zum bedeutendsten Standort für unternehmensunabhängige Rechenzentren in Deutschland entwickelt.
Nur so nebenbei: Taumelland glaubte noch nie an die Virtualität des Internets!
Wie zu Sauron der Ring, so gehört das Internet zu den mit Stacheldraht bewehrten Rechenzentren, der allgegenwärtigen Überwachung, den armdicken Unterseekabeln und den Satelliten in der Erdumlaufbahn. Einem Reich in dem Informationen mit Lichtgeschwindigkeit transportiert werden und in dem eine Nanosekunde schon einer Ewigkeit gleich kommt.
Dagegen nimmt sich der Frankfurter Hauptbahnhof, laut Deutscher Bahn der wichtigste Eisenbahnknotenpunkt Deutschlands, geradezu archaisch aus. Es kann ein beruhigendes Gefühl auslösen wenn Verspätungen noch in Minuten und Stunden angegeben werden;-)
All das macht das Rhein-Main Gebiet zu einem Epizentrum der Globalisierung. „Panta rhei!“
Am Fluß
Der Main allerdings, eine aufgestaute, träge dahinfließende Bundeswasserstraße, bildet geradezu den „good old times“ Gegenpol zu dem ansonsten fluiden gewordenen Ballungszentrum, das er durchquert.
Alles scheint im Rhein-Main Gebiet im Fluss zu sein – nur eben der Fluss selbst nicht.
Dem werden wir in einer losen Folge von Beiträgen nachgehen. Wir begeben uns auf eine Erkundungstour entlang des Flusses und unternehmen, wann immer es sinnvoll scheint, Abstecher in das nähere Umland.
Abschließen möchte ich diesen Beitrag mit einem Zitat aus einem Gospel Song, das mir aus dem Film „O Brother, Where Art Thou? (2000)von den Coen Brüdern in Erinnerung geblieben ist:
Damit sei daran erinnert, dass Flüssen eine vielfältige religiöse Bedeutung zu kommt. Das Eintauchen in mythologische Fluten stiftet seit jeher eine Verbindung zu transzendentalen Mächten. So sind Sie Orte des Vergessens, der Vergebung, der Theophanie, der Reinigung und natürlich die Metapher für „den Zeiten- Lebenslauf“ überhaupt.
Mal sehen ob wir davon auch etwas auf unsere Reise entlang des Mains finden werden.
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